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Die Reduktion des β2-Mikroglobulins verbessert Alzheimer-Symptome im Tiermodell


Eine Fehlfaltung und Aggregation von β-Amyloid (Aβ), aber auch von Mikrotubuli-assoziiertem Tau-Protein stellen die wichtigsten pathologischen Merkmale der Alzheimer-Krankheit dar. Die zentrale Rolle von Aβ in der Pathogenese der Krankheit wird auch durch die Genetik untermauert, da Mutationen in den Genen APP, PSEN1 und PSEN2, die alle mit der Produktion von Aβ-Peptiden in Zusammenhang stehen, mit früh auftretender familiärer Alzheimer-Demenz assoziiert sind. In diesen Fällen wird eine Anhäufung von Aβ im Gehirn lange vor der Manifestation klinischer Symptome beobachtet; sie tritt allerdings auch bei älteren Menschen auf, die keine Gedächtnisstörungen haben und bei denen schützende Faktoren vermutet werden, die offenbar auch vererbt werden.


Daneben weisen genomweite Assoziationsstudien (GWAS) auf starke Assoziationen zwischen immunologisch relevanten Genen und dem Risiko für eine Alzheimer-Krankheit hin. Bis heute wurden mehr als 30 solcher Genorte identifiziert und mehr als 50% der mit diesen Genen assoziierten Varianten sind an Immunantworten beteiligt. Sie kodieren beispielsweise humane Leukozytenantigene (HLA) oder sind mit dem sog. Inflammasom assoziiert, wie das Apoptose-assoziierte Fleck-ähnliche Protein (ASC), das die Bildung von Aβ-Oligomeren fördert. Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass schwere Infektionen, insbesondere eine Sepsis und Lungenentzündungen, mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden sind.


Im Rahmen einer von Xin Wang, Yini Zhao und Kollegen in Nature Neuroscience publizierten Studie wurde nun auch das β2-Mikroglobulin (β2M) als amyloidogenes Protein identifiziert. Es bildet die lösliche Untereinheit der leichten Kette des Histokompatibilitätskomplexes Klasse I (MHC-I) und ist für die Antigenpräsentation zur Aktivierung zytotoxischer T-Lymphozyten verantwortlich. Es erleichtert also die Unterscheidung zwischen Selbst und Fremd im Rahmen einer Infektion. β2M wird von MHC-I freigesetzt, besonders von der Mikroglia im Gehirn exprimiert und kann sich zu Amyloidfibrillen zusammenlagern.


Die Autoren, die an der Xiamen Universität in China arbeiten, stellten fest, dass β2M im Gehirn von Menschen mit Alzheimer erhöht ist und den Kern der Amyloid-Plaques bildet. Elektronenmikroskopische Analysen zeigten, dass β2M und Aβ42, dem besonders zur Aggregation neigenden Aβ-Peptid, die Bildung von fibrillären Aggregaten induzieren. Stereotaktische Injektionen von Adeno-assoziierte Virusvektoren, die das β2M-Protein enthalten, in das Gehirn von 5×FAD-Mäusen verstärkte die Alzheimer-assoziierte Neuropathologie (bei den 5xFAD-Mäusen handelt es sich um transgene Tiere, die u.a. Gene für das Aβ-Vorläuferprotein APP und für Presenilin 1 überexprimieren). Umgekehrt führte eine Verminderung der β2M-Konzentrationen zu einer Aufhebung der Aβ-Neurotoxizität, denn die Amyloidausbreitung und die kognitiven Defizite waren bei den Tieren reduziert. Interessanterweise schwächte die Deletion von β2M auch die Tau-Pathologie in kultivierten Neuronen signifikant ab.


Unter Verwendung der Zwei-Photonen-Bildgebung konnten die Autoren weiterhin zeigen, dass peripheres β2M, das sich in Blutgefäßen befindet, die Blut-Hirn-Schranke überwindet und sich im Gehirn anreichert. Dabei verbesserte sich die Neuropathologie von 5×FAD-Mäusen entscheidend, wenn Antikörper injiziert wurden, die zu einer Reduktion von peripherem β2M führten. Es ist schon länger bekannt, dass β2M offenbar als systemischer Pro-Aging-Faktor fungiert, der die Neurogenese beeinträchtigen und zu kognitiven Funktionsstörungen führen kann (vermutlich über Interferenz mit dem Glutamta-NMDA-Rezeptors).


Neben Antikörpern wurden den 5×FAD-Mäusen auch Antisense-Oligonukleotide (ASOs) gegen β2M injiziert und daraufhin eine Verringerung der Amyloid-Pathologie beobachtet. Außerdem wurden Kombinationen von Anti-β2M-Antikörpern und speziellen β2M-Peptiden, die eine β2M-Aβ-Ko-Aggregation verhindern, getestet. Sie schwächten die Aβ-Neurotoxizität ab und reduzierten die kognitive Beeinträchtigungen der Mäuse deutlich. Da in klinischen Studien Antikörper in der Regel in hohen Dosen verabreicht werden, damit ausreichende Mengen die Blut-Hirn-Schranke überwinden, werden leider auch immer wieder teils schwere Nebenwirkungen einer Antikörper-Therapie beobachtet. Dazu gehören die durch Aβ-Antikörper (Fc-Rezeptor) vermittelte neuroinflammatorische Reaktion und die Aktivierung von Immunzellen im Gehirn. Daher sind alternative Wirkstoffe, wie z.B. ASOs oder Aggregations-verhindernde β2M-Peptide, von besonderer Bedeutung. Vermutlich würde die genaue strukturelle Charakterisierung des β2M-Aβ-Komplexes auch zur Entdeckung von niedermolekularen Blockern führen, die ebenfalls von therapeutischem Nutzen in der Alzheimer-Therapie sein könnten.


Referenzen:


Xin Wang & Yini Zhao (2023) β2-Microglobulin boosts β-amyloid aggregation and neurotoxicity in an Alzheimer’s disease model. Nature Neuroscience 26:1143


Zhao Y, Zheng Q, Hong Y, Gao Y, ..., Liu C, Wang X (2023) β2-Microglobulin coaggregates with Aβ and contributes to amyloid pathology and cognitive deficits in Alzheimer’s disease model mice. Nature Neuroscience 26:1170


Bildnachweis: iStock/Storman


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