Wie in meinem Buch über Neurodegeneration im Kapitel 3.2.4 ausgeführt, kommt dem sog. Aβ-Clearing, also dem Abräumen von Amyloid-Ablagerungen über das Gefäß- und Liquorsystem oder auch mittels infundierter Amyloid-Antikörper eine besondere Bedeutung bei der Suche nach effektiven Alzheimer-Therapien zu. Einige dieser Ansätze zeigten in ersten Versuchen sehr gute Wirksamkeit, d.h. sie führten zur Reduktion von Aβ-Oligomeren und zur Auflösung der Amyloid-Plaques. Obwohl in Bezug auf funktionelle Verbesserungen die klinischen Studien bisher erfolglos blieben, konnten Meta-Analysen mehrerer Antikörper-Studien einen Zusammenhang zwischen einer Reduzierung der Aβ-Plaques und einem langsameren Fortschreiten der Erkankung nachweisen.
Insbesondere bei höheren Dosierungen der speziell gegen Aβ-Oligomere und kleinere Protein-Aggregate gerichteten Antikörper, z.B. bei Aducanumab (Aduhelm), traten Verbesserungen der Gedächtnisfunktion auf. In einem kürzlich publizierten Artikel im New England Journal of Medicine liefern van Dyck und Kollegen nun überzeugende Beweise dafür, dass eine Behandlung mit dem neuen Antikörper Lecanemab die Anzahl von Amyloid-Plaques erheblich reduzieren und die klinische Symptomatik im Vergleich zu Placebo-behandelten Kontrollen deutlich verbessern kann. Obwohl Lecanemab den Gedächtnisverlust nicht vollständig aufhielt, waren die Ergebnisse der über 18 Monate laufenden Studie mit rund 1800 Patienten sehr vielversprechend.
Die Zulassung von Aβ-reduzierenden Antikörpern bei kognitiven Defiziten, die in den frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit auftreten, ist nicht nur wegen der hohen Kosten, sondern insbesondere wegen der teilweise erheblichen Nebenwirkungen unter Experten äußerst umstritten. Bei manchen der behandelten Patienten treten lokalisierte Hirnschwellungen und Blutungen auf. Sie finden sich häufiger bei Menschen, die Träger des APOE4-Gens sind (einer Variante, die ein hohes Risiko für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit mit sich bringt) und machen eine Magnetresonanztomographie (MRT) zur Erkennung und Behandlung dieser Folgen erforderlich. Von den mit Lecanemab behandelten Teilnehmern zeigten 13% der Studienteilnehmer derartige Nebenwirkungen, obwohl nur 3% damit verbundene Symptome (wie Kopfschmerzen) hatten und diese zumeist reversibel waren. Eine mit Lecanemab behandelte Person starb während der Studie und drei weitere nach ihrer Beendigung an einer Hirnblutung, ebenso wie eine Person, die das Placebo erhielt.
Auffällig war, dass Lecanemab die Menge der Aβ-Plaques sowie die Liquor- und Blut-basierten Biomarker von Aβ-Plaques und Tau-Phosphorylierung deutlich reduzieren konnte. Die Behandlung verlangsamte die Anhäufung von Tau-Fibrillen (Tangles) im Gehirn, veränderte verschiedene neuroinflammatorische und neurodegenerative Biomarker und verringerte die klinischen Parameter des kognitiven Verfalls um etwa 30%. Die Unterschiede zwischen der Behandlungsgruppe und den Patienten, die das Placebo bekamen, waren hochsignifikant und stiegen im Laufe der Zeit an.
Die Studie bestätigt damit die Hypothese, dass Aβ-Aggregate an der Entstehung der Alzheimer-Krankheit beteiligt sind und stellt eine Grundlage für die Entwicklung von Kombinationstherapien dar, die gleichzeitig auf Aβ-Peptide und Tau-Fibrillen abzielen. Weiterhin wird es Forschern und Klinikern erleichtert, Aβ-, Tau- und weitere Biomarker zu identifizieren, die mit dem klinischen Nutzen einer Behandlung in Verbindung gebracht werden können.
Referenzen:
van Dyck CH, Swanson CJ, Aisen P, ..., Kramer LD, Iwatsubo T (2022) Lecanemab in Early Alzheimer’s Disease. New England Journal of Medicine 388:9
Reiman EM (2023) Drug trial for Alzheimer’s disease is a game changer. Nature 615:42
Bildnachweis: iStock/Love Employee
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