Wie in meinem Buch über Nervenregeneration beschrieben, besitzen Axone des peripheren Nervensystems (PNS) nach Verletzung eine gute Regenerationsfähigkeit. Für eine funktionelle Erholung der Beweglichkeit ist es allerdings wichtig, dass motorische Axone wieder Anschluss an ihre ursprünglichen Muskelziele finden. Bei Säugetieren sind Zielverfehlungen, d.h. eine fehlerhafte Re-Innervation der Muskulatur, leider relativ häufig und können langfristige Defizite verursachen. Es fehlen die räumlichen Hinweise, die auswachsende Axone zu ihren ursprünglichen Zielen leiten.
In einer aktuellen Arbeit von Lauren Walker und Kollegen von der Universität Pennsylvania (Philadelphia, USA) wurde nun die spezifische Regeneration von Axonen, dies sich an der Basis der Brustflosse des Zebrafisches befinden, genauer untersucht. In diesem Modell kann durch die Transparenz der Flosse mit hochauflösender Bildgebung das Axonwachstum genau und in Echtzeit untersucht werden. Dieses entspricht prinzipiell der Regeneration von Plexusnerven in unserem Armplexus, ist aber spezifischer und daher erfolgreicher.
Nach selektiver Markierung der zu den Flossenmuskeln ziehenden neuronalen Fortsätze stellten die Autoren fest, dass motorische Axone von drei Nerven sich im Plexus der Flosse vermischen und dann mit hoher Genauigkeit ihre ursprünglichen Muskelbereiche ansteuern, was die Funktionalität wiederherstellt. Dieser Regenerationsprozess umfasst neben dem Axonwachstum auch das selektive Zurückziehen fehlgeleiteter Fortsätze (pruning). Frühere Arbeiten hatten schon Hypothesen aufgestellt, wie das Axonwachstum während der Regeneration gesteuert werden könnte, doch die molekularen und zellulären Mechanismen, die eine korrekte Navigation durch einen Plexus hindurch ermöglichen, sind noch weitgehend unbekannt. Es wurde allerdings schon länger vermutet, dass denervierte (reaktive) Schwann-Zellen, die trophische Faktoren hochregulieren und Bahnen bilden (sog. Büngner-Bänder), an denen entlang regenerierende Axone auswachsen können, in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielen.
Um eine Verbindung zu ihren korrekten Muskelfasern herzustellen, navigieren die Flossenmotoraxone der Zebrafische entlang mehrerer molekularer Wegweiser, die von Schwann-Zellen hergestellt werden, da ihre Entfernung eine spezifische Regeneration verhindert. Zunächst sortieren sich die Axone an den Plexusnerven zwischen den Muskeln und wählen dann an nachfolgenden Entscheidungspunkten innerhalb der Muskulatur einen Weg, um die funktionell passenden Muskelfasern zu kontaktieren. Im Zebrafisch werden regeneriende Axone von Schwann-Zellen gesteuert, die ein spezifisches Kollagen (col4a5) hochregulieren und damit axonale Wachstumsentscheidungen zwischen dorsalen und ventralen motorischen Nerven im Rumpf vermitteln. Welche molekularen Signale von den Schwann-Zellen im dorsalen Plexus der Flosse exprimiert werden, ist bisher nicht bekannt. Es könnte sich um Polysialinsäure oder das Zelladhäsionsmoleküls L1, aber auch um EphrinA-EphA4-, GDNF/Ret- oder um Sema3A-Npn-1-abhängige Signalwege handeln. Ob diese dann auch im PNS von Säugetieren für eine spezifische Nervenregeneration erforderlich sind, bleibt zu untersuchen.
Zusammengenommen macht der Nervenplexus der Brustflosse den Zebrafisch durch die genetische Manipulierbarkeit und optischen Transparenz sowie der Möglichkeit, Flossenbewegungen als Maß für erfolgreiche Regeneration zu messen, zu einem idealen Modellsystem, um die Mechanismen der zielgerichteten Axonregeneration im peripheren Nervensystem eingehend zu untersuchen.
Referenz:
Walker LJ, Guevara C, Kawakami K, Granato M (2023) Target-selective vertebrate motor axon regeneration depends on interaction with glial cells at a peripheral nerve plexus. PLOS Biology 21:e3002223
Bildnachweis: iStock/Allexxandar
Comments